Kameraarbeiten
Expedition zum Meeresgrund – Eis aus der Tiefe

Abenteuer Wissen / Arte Entdeckungen
– Expedition zum Meeresgrund / Eis aus der Tiefe

Dokumentation
30 Min. / 45 Min.
ZDF/Arte
2006

Team

Buch und Regie: Achim Pollmeier
Kamera & Ton: Erik Sick
Schnitt: Stefan Kolbe
Produktionsleitung: Uli Veith
Produktion: Taglicht Media
Produzent: Bernd Wilting
Auftraggeber: ZDF/ARTE
Redaktion: Ute Kleineidam
Ann-Christin Hornberger

Dreharbeiten:
November bis Dezember 2006 in der Griechischen und Türkischen Ägäis

Sendetermin:
"Abenteuer Wissen – Expedition zum Meeresgrund"
17.01.2007 um 22.15 Uhr, ZDF

"ARTE Entdeckungen – Eis aus der Tiefe"
19.12.2007 um 19 Uhr, ARTE

Brennbares Eis aus der Tiefsee


Auf der Suche nach Methanhydrat im Mittelmeer

Jeder, der Frank Schätzings Bestseller "Der Schwarm" gelesen hat, kennt den Meeresgeologen Prof. Gerhard Bohrmann. Doch nicht nur als Romanfigur, sondern auch im realen Leben beschäftigt er sich mit Methan. Auf einer knapp zweiwöchigen Expedition im Mittelmeer suchten Bohrmann und sein Team nach Methanaustritten in 1500 bis 2000 Metern Wassertiefe. Ihre Kernfragen: Wie viel Methanhydrat gibt es auf der Welt und wie stabil lagert es auf dem Grund der Meere?

Methan ist genau wie Kohlendioxid ein Treibhausgas. Im festen Aggregatzustand lagert es als Methanhydrat in großen Mengen auf dem Meeresgrund. Es könnte eine Energiequelle der Zukunft sein, aber auch eine verheerende Spirale der Klimaerwärmung in Gang setzen. Was in Schätzings "Der Schwarm" nur Fiktion ist, beschäftigt Prof. Gerhard Bohrmann tatsächlich.

Suche im Anaximander-Gebirge

Knapp zwei Wochen dauert die Expedition auf dem Forschungsschiff METEOR. Ziel der Reise ist das untermeerische Anaximander-Gebirge im östlichen Mittelmeer vor der türkischen Südküste. Die Forscher suchen neben Schlammvulkanen vor allem Methanhydrat.

Dazu hat Bohrmann am Bremer Meeresforschungszentrum "marum" zahlreiche Experten um sich geschart: Chemiker, Geologen, Ingenieure. Einer von ihnen ist Hans-Jürgen Hohnberg. Er soll Bohrmann helfen herauszufinden, wie viel Methanhydrat im Meeresboden liegt.

Um überhaupt zu erfahren, ob sie an der richtigen Stelle nach Methanhydrat suchen, wird mit einem "Schwerelot" eine erste, drei Meter lange Probe vom Meeresboden genommen. Viel Zeit darf dabei nicht verloren gehen. Denn Methanhydrat ist ein Eis, und schon auf dem Weg nach oben beginnt es, sich aufzulösen. Im Schlamm finden die Forscher tatsächlich einige Stücke Methanhydrat. Damit es sich nicht noch weiter auflöst, muss es möglichst schnell in flüssigem Stickstoff gelagert werden - bei minus 190 Grad.

Kostbare Gefahr

Für Prof. Gerhard Bohrmann und seine Kollegen ist Methanhydrat ein kostbares Forschungsobjekt. Methanhydrat ist ein Stoff, der die Zukunft der Welt bestimmen könnte. Jeder dieser Klumpen trägt das 160fache seines Volumens an Methan in sich. Das Methanhydrat im Meer ist also ein gewaltiger Brennstoffspeicher, aber auch eine der größten Gefahren für das Klima auf der Erde. Denn Methan ist eines der stärksten Treibhausgase, die es gibt.

Wenn sich das Weltklima weiter erwärmt und die Meere aufheizt, könnte sich das Methanhydrat am Meeresgrund nach und nach auflösen. Damit steigt die Gefahr, dass Methan unkontrolliert in die Atmosphäre entweicht und den Treibhauseffekt drastisch verstärkt. Die Meere würden noch wärmer, und noch mehr Methanhydrat würde aufgelöst. Ein Teufelskreis, der die Welt dramatisch verändern könnte.

Der feste, eisartige Stoff Methanhydrat ist eine so genannte Käfigverbindung aus Wasser und dem Treibhausgas Methan (CH4 ist die einfachste Kohlenwasserstoffverbindung). Nur bei hohem Druck und niedrigen Temperaturen ist Methanhydrat stabil. Solche Bedingungen herrschen in den Permafrostböden und in der Tiefsee. Methanhydrat durchsetzt den Meeresboden teilweise einige hundert Meter tief. Stabil ist es jedoch nur in einem sehr engen Temperatur-Druckbereich.

Eine globale Erwärmung könnte Methanhydrate zunehmend zersetzen. Das so freiwerdende Methan ist selbst ein starkes Treibhausgas. Methan erzeugt pro Molekül einen etwa 25-fach stärkeren Treibhauseffekt wie Kohlendioxid.

Spezialbergung unter Druck

Mit einem speziellen Gerät, dem so genannten Autoklav-Kolbenlot, ist es möglich, Methanhydrat vom Meeresboden zu bergen, ohne dass es sich auflöst. Sobald das Rohr in den Meeresboden eingedrungen ist, wird die Probe in den dahinter liegenden Kolben gezogen und dicht verschlossen. Das alles geschieht unter gewaltigem Druck. Es ist die einzige Technik, um die Menge des Methanhydrats im Meeresboden genau zu bestimmen.

Zurück an Bord der METEOR zeigt sich, ob und wie viel Methanhydrat die Probe enthält. Zunächst muss der enorme Druck von 180 bar aus dem Kolben gelassen werden. Währenddessen wandelt sich das Hydrat in Gas um. Nun misst ein Geochemiker an Bord die Menge und nimmt Proben für eine genaue Analyse im Gaschromatographen. So kann er die Zusammensetzung des Gases ermitteln: Es besteht zu fast 100 Prozent aus Methan. Prof. Bohrmann ist überrascht: Offenbar lagert hier viel mehr Methanhydrat, als er gedacht hat.

Gashydrate sind fragile Gebilde. Die eisähnlichen, im Meeresboden verborgenen Verbindungen aus Gasen wie Methan oder Kohlendioxid und Wasser sind nur unter bestimmten Druck- und Temperaturbedingungen stabil. Daher setzen Wissenschaftler ein so genanntes Autoklav-Kolbenlot ein, wenn sie die Gashydrate vom Meeresboden gewinnen und diese Proben später in den heimischen Labors untersuchen wollen.

Mit diesem Gerät - im Prinzip ein Hohlzylinder - werden Ablagerungen von bis zu 2,3 Meter Länge aus dem Meeresboden ausgestochen und in einer Druckkammer eingeschlossen. So wird der am Meeresboden herrschende hohe Druck konserviert und verhindert, dass Gase aus dem Sedimentkern entweichen und sich die Gashydrate zersetzen. Im Labor wird das Kolbenlot mit den darin enthaltenen Proben mit einem Computertomographen untersucht, der die Verteilung von Gas und Gashydraten in den Meeresablagerungen bestimmt. In einem folgenden Schritt werden die Gase durch Druckentlastung "abgezapft", ihre Mengen bestimmt und die genaue Zusammensetzung analysiert.

Rätselhafte Blasen

Sonaraufzeichnungen der METEOR zeigen Hinweise auf Methanblasen, die aus dem Meeresboden austreten. Vom Mittelmeer waren solche Methanaustritte bisher nicht bekannt. Der Tauchroboter, ebenfalls mit einem Sonar ausgestattet, soll den Beweis liefern, dass es sie auch hier gibt. Die Vermutung der Forscher bestätigt sich: Sie finden sogar an mehreren Stellen Austritte von Methanblasen.

Bekannt sind solche Blasenaustritte vom Bermuda-Dreieck in Mittelamerika. Immer wieder verschwinden dort Schiffe wie von Geisterhand. Methanaustritte könnten solch rätselhaften Phänomene erklären: Durch den plötzlichen Austritt großer Methanstrudel könnte die Tragfähigkeit des Wassers so drastisch abnehmen, dass selbst große Schiffe versinken.

Aufsehen erregen Bilder aus 2000 Metern Tiefe: Ein Krebs spielt mit den Blasen, als nehme er das Methan direkt auf. Den Wissenschaftlern fehlt jede Erklärung für diese Beobachtung. Denn sie ist so neu, wie der Blasenfund selbst. Sofort wird die Fundstelle untersucht. Dabei wird erstmals sichtbar, wie das Hydrat-Eis entsteht: Sobald die Methanblasen nicht weiter aufsteigen können, werden sie unter dem großen Druck und den niedrigen Temperaturen der Tiefsee in einem Trichter zu Eis.

(Pressetexte ZDF/ARTE)

Tagebuch vom 03.12.2006

Achim Pollmeier und Erik Sick

Autor Achim Pollmeier und sein Kameramann Erik Sick sind mit an Bord der METEOR. Hier nun ein erster Eindruck vom Alltag als Nicht-Forschende und von den Dreharbeiten.
6.30 Uhr: Der achte Tag auf dem Forschungsschiff Meteor beginnt so früh wie die vorangegangenen auch: um sechs Uhr wurde das Autoklav-Kolbenlot ins Wasser gelassen. Für uns hieß das: drei Menschen und ein Stahlkörper vor einem unglaublichen Morgenrot.
Seit einer Woche sind wir nun als Kamerateam auf dem Forschungsschiff Meteor. Diese sieben Tage auf dem Mittelmeer bedeuteten für uns: viele Dinge, die wir (anfangs) nicht verstanden, Fremdworte, chemische Formeln, merkwürdig aussehende Instrumente - aber vor allem: Begeisterung. Es waren sieben Tage voller Spannung, Enttäuschung, Erfolg und Freude.

Inzwischen wissen wir nicht nur, dass Pushcore, Schwerelot und Autoklav-Kolbenlot Instrumente zur Probengewinnung sind, sondern vor allem haben wir erlebt, welchen Enthusiasmus ein Wissenschaftler ausstrahlt, wenn ihm diese Instrumente eine ordentliche Probe aus 2000 Metern Tiefe an die Wasseroberfläche mitgebracht haben. Ein Enthusiasmus, der sich schnell auf uns übertrug, weil wir das Glück hatten, einige besondere Momente mit der Kamera einzufangen - Momente des Erkenntnisgewinns, die die Wissenschaft ein Stück weiter gebracht haben. Und da wir inzwischen wissen, wie begehrt die Plätze auf einem Forschungsschiff unter Wissenschaftlern sind, sind wir Gerhard Bohrmann sehr dankbar, dass er uns mitgenommen hat.

Dass der Inhalt der Reise spannend sein würde, war uns gleich klar: Jeder, der Frank Schätzings "Schwarm" gelesen hat, ist vom Thema Methanhydrat fasziniert - jenem Methaneis, dass sich unter hohem Druck im Meeresboden der Tiefsee bilden kann, sofern dort Methan aus organischer Masse entsteht. Gewaltige Mengen soll es davon geben. Ist Methan ein möglicher Brennstoff der Zukunft? Oder ist es ein Beschleuniger der globalen Erwärmung? Wie viel gibt es davon, wie entsteht es und wie stabil ruht es im Sediment unter dem Meer?

Am Ende sind das Fragen, die auch die Wissenschaftler an Bord der Meteor leiten - doch um den Antworten auf die Spur zu kommen, sind ihre Fragen zunächst viel kleiner: Wie ist das Methanhydrat chemisch zusammen gesetzt, welche Gase enthalten die gefundenen Blasenaustritte, wie verändert sich die Zusammensetzung des Wassers im Meeresboden mit zunehmender Tiefe - und vor allem: Wie kommt man da heran? Die Forscher haben so spezielle Fragen, dass sie sich die Instrumente zur Probennahme zumeist selbst entwerfen und bauen lassen müssen. Techniker und Entwickler stellen daher einen wichtigen Teil des wissenschaftlichen Personals auf dem Schiff.

Gestern gelang es erstmals, an den zuvor gefundenen Austrittsstellen die am Meeresboden austretenden Gasblasen aufzufangen. In einem Auffangtrichter, der mit dem Tauchroboter über der Austrittsstelle positioniert wurde, wandelten sich die Blasen sofort in Methanhydrat um. Als sich genug davon gesammelt hatte, wurde die ganze Probe in einen Druckbehälter eingezogen - ein Schauspiel, das den beteiligten Wissenschaftlern eine ganze Nacht Arbeit bescherte, denn viele Auswertungen und Analysen müssen direkt auf dem Schiff passieren, noch ehe die Proben sich verändern können.

So schläft das Schiff nie - alles hat einen festen Rhythmus: 7.30 Uhr Frühstück, 11.30 Mittagessen, 17.30 Uhr Abendessen - Zeiten, an die sich auch unsere Landei-Mägen inzwischen gewöhnt haben. Sehr gut sogar: Wir werden das Schiff alle mit einigen Kilos mehr verlassen. Denn nur selten erlaubt man sich, eine Mahlzeit zu verpassen. Und da es inzwischen 7.15 Uhr ist, muss der Eintrag jetzt enden.

Die Viertelstunde bis zum Frühstück ist reserviert für den Sonnenaufgang: Vom Deck sieht er noch schöner aus als durch die Bullaugen im Computerraum.

Herzliche Grüße!

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