Kameraarbeiten
Ärzte unterm Hakenkreuz – Herrscher über Leben und Tod

Ärzte unterm Hakenkreuz –
Herrscher über Leben und Tod

Historischer Dokumentarfilm Mehrteiler
3 x 52 Min.
ZDF/ARTE
2002/2003

Team

Autor: Ulrich Knödler
Producer: Christian Feyerabend
Junior Producerin: Daniela Gieseler
Regie: Christopher Paul
Christian Feyerabend
Kamera: Erik Sick
Ton: Daniel Hallmann
Franz Lindinger
Schnitt: Jens Greuner
Musik: Thomas Wolter
Produktionsleitung: Martin Kopischke
Produktion: Gruppe 5 Filmproduktion
Produzent: Uwe Kersken
Auftraggeber: ZDF/ ZDF Enterprises GmbH

Dreharbeiten:
März 2002 bis Februar 2003 in Deutschland, Polen, Östereich und USA

Sendetermin:

Teil 1  "Rassenwahn"
13.04.2004 um 23.00 Uhr, ZDF
11.06.2004 um 20.15 Uhr, 3 SAT

Teil 2  "Tödliche Reformen"
14.04.2004 um 22.45 Uhr, ZDF
18.06.2004 um 20.15 Uhr, 3 SAT

Teil 3  "Selektion"
15.04.2004 um 23.00 Uhr, ZDF
25.06.2004 um 20.15 Uhr, 3 SAT

"Ärzte unterm Hakenkreuz" hat 2005 den Award Dokumentation des Olumouc Film-Festivals erhalten.
(Olumouc liegt in Böhmen / Tschechische Republik)

Teil 1: "Rassenwahn"

1946 steht Karl Brandt, der Begleitarzt Hitlers und der Reichskommissar für das Sanitäts- und Gesundheitswesen, im sogenannten Ärzteprozess in Nürnberg wegen Verbrechens gegen die Menschlichkeit vor Gericht. Nach der Machtübernahme Hitlers machte Brandt wie viele andere Mediziner Karriere, aber er schaffte den Karrieregipfel. Zunächst wollte er an der Seite seines Jugendidols Albert Schweitzer arbeiten. Doch dann tritt er bereits 1932 in die Partei ein. Auf ungewöhnliche Weise machte er Bekanntschaft mit Hitler: Brandts Verlobte, die Schwimmerin Anni Rehborn, wurde von Hitler bewundert und auf den Obersalzberg eingeladen. Das Entree war geschafft. Wenig später wurde Hitler Trauzeuge des Paares und Brandt der Begleitarzt des Führers.
Im April 1933 wurden jüdische Arztpraxen­ geschlossen, Ärzte verschleppt und gefoltert. Die meisten Ärzte verloren ihre berufliche Existenz, viele von ihnen verließen ihre Heimat. Die Praxen wurden "arisiert". Dies stellte sich auch als eine gigantischer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für deutsche Ärzte heraus. Gleichzeitig wurde die Politisierung, der Medizin vorangetrieben, denn "Nationalsozialismus ist nichts anderes als angewandte Biologie". Die Medizin erfuhr einen grundlegenden ideologischen. Wandel: Nicht mehr die Heilung des einzelnen Kranken, sondern die Gesunderhaltung des "Volkskörpers" war das neue Ziel der gleichgeschalteten Ärzteschaft. Ideologisch wurden Mediziner in Eliteschulen wie Alt-Rhese im "neuen Geist" erzogen. Vererbung, Züchtung und Überleben des Stärkeren, Gesetze der Natur sollten auf den Menschen angewandt werden. Im Berliner Kaiser-Wilhelm-Institut suchten sogenannte Rassenhygieniker nach der Formel für den neuen Menschen. Zwillingsforschung und Rassenlehre hatten Hochkonjunktur. Es gab auch Verbindungen nach Amerika, wo Charles Davenport bis 1939 eine Art Züchtungsregister von Menschen aufbaute, um - so sein Ziel - das amerikanische Erbgut zu verbessern.

Auf der Suche nach dem reinrassigen Arier wurden im Deutschen Reich Skelettsammlungen zusammen- und ausgestellt, um schließlich mit pseudowissenschaftlichen Begründungen Menschengruppen herauszufiltern. Wissenschaftler und Ärzte definierten die jüdische Rasse, sie erstellten Rassengutachten und schickten Juden in die Vernichtungslager. Karl Brandt konnte im Nürnberger Ärzteprozess eine Beteiligung am Judenmord nicht nachgewiesen werden, aber es blieb der Anklagepunkt der Mittäterschaft bei der Umsetzung des Euthanasieprogramms.

Ärzte unterm Hakenkreuz beleuchtet die kultur- und wissenschaftsgeschichtlichen Hintergründe der NS-Medizin. Was veranlasste Ärzte, nicht mehr dem Menschen, sondern völkisch-rassischen "Idealen" zu dienen, was verführte einige dazu, aus Karrieresucht skrupellose Menschenversuche durchzuführen und sich an der Tötung hunderttausender Kranker zu beteiligen?

Die bisher unveröffentlichten, Briefe und Tagebücher Karl Brandts, des Begleitarztes von Hitler und Reichskommissars für das Sanitäts- und Gesundheitswesen, enthüllen den Zwiespalt zwischen eiskalter Karriereplanung und medizinischem Verantwortungsbewusstsein. Im Nürnberger Ärzteprozess steht er 1946 als Hauptangeklagter vor dem Richtertribunal: Für die Ankläger ist er die zentrale Figur im NS-Gesundheitswesen. An seinem Schicksal zeichnet der Film beispielhaft ein Bild der Medizin im Nationalsozialismus. (Pressetext ZDF)

Teil 2: "Tödliche Reformen"

Schon bald nach 1933 drängten die Mediziner eifrig in die NSDAP. Es herrschte euphorische Aufbruchstimmung. Gesundheitsreformen sollten das deutsche Volk zu einem gesunden, arischen Volkskörper formen - bereit zum Griff nach der Weltherrschaft. Die deutsche Krebsforschung ist international führend, Mediziner finden den Zusammenhang von Lungenkrebs und Tabakverbrauch heraus. Seit 1934 wurden im Reich Gesundheitsämter errichtet.Ihre Aufgabe war es, für die "Rassenhygiene" zu sorgen. Ein positiver Begleiteffekt war die Gesundheitsvorsorge. Großangelegte Impfkampagnen, Vitaminprophylaxen und Röntgenreihenuntersuchungen wurden durchgeführt. Ein Gesundheitskataster des gesamten deutschen Volkes war in Arbeit. Diese Erfassung diente auch dazu, an - wie es hieß - Tuberkulose und Fleckfieber erkrankte Juden, sogenannte Asoziale, Nichtsesshafte und Zigeuner zu ermorden.

Bereits im Juli 1933 wurde das Reichsgesetz "zur Verhütung erbkranken Nachwuchses" verkündet. Durch Zwangssterilisationen sollten sogenannte Schwachwachsinnige, Schwerbehinderte, Blinde und Taube unfruchtbar gemacht werden. Es löste eine große Anzeigenflut aus. "Erbgesundheitsgerichte" entschieden über Anträge auf Unfruchtbarmachung, die aus den Gesundheitsämtern eingingen. Nach Pseudotests hieß es in den allermeisten Fällen nach wenigen Minuten "Der oben genannte Proband ist unfruchtbar zu machen." Wie R.T., der wegen einer angeborenen Missbildung des Skeletts zunächst das Gymnasium verlassen musste und dann zwangsweise sterilisiert wurde. Etwa 400000 Männer und Frauen teilten das gleiche Schicksal, wurden von Ärzten sterilisiert. Vor dem Nürnberger Gericht müssen sich Mediziner wegen Sterilisationsexperimenten verantworten, die in den Konzentrationslagern Auschwitz und Ravensbrück durchgeführt wurden. Grausame Versuche, von denen die meisten tödlich endeten. Arzte suchten nach schnellen Sterilisationsmethoden. Himmler plante 30 Millionen Slawen zu sterilisieren.

Beim Anklagepunkt "Euthanasie", der Ermordung alter Menschen, geistig Behinderter, unheilbar Kranker und Kinder, steht Karl Brandt endgültig in der Verantwortung. Vor dem Gericht stellt er fest: „Da habe ich die Euthanasie bejaht. Ich erkenne das Problem wohl. Es ist so alt wie der Mensch. Aber es ist kein Verbrechen gegen den Menschen und keines gegen die Menschlichkeit". Für Brandt begann die Euthanasie mit einer Dienstreise. Im Frühsommer 1939 soll er im Auftrag Hitlers darüber entscheiden, ob ein schwerstbehindertes Kind getötet werden soll. Er instruiert den zuständigen Arzt, den Mord wie einen natürlichen Tod aussehen zu lassen. Anfang 1940 beginnen die Euthanasiemorde, organisiert und unter strengster Geheimhaltung. Auch Kinder wurden zu Opfern. So in der Baumgartner Höhe, dem Psychiatrischen Krankenhaus der Stadt Wien. Ein Forschungsteam identifiziert die Hinterlassenschaften eines grausamen Kindermordes: Gewebeschnitte, Gehirne, Rückenmark von fast 600 Kindern. Heute kennt man alle Namen der Kinder und hat ihre Überreste in einem Ehrengrab beigesetzt. Das Nürnberger Gericht wirft Brandt vor, bei der Verwaltung der Kindereuthanasie im Reich beteiligt gewesen zu sein. (Pressetext ZDF)

Teil 3: "Selektion"

Zu Beginn des Jahres 1940 begann die ärztlich angeordnete und vollstreckte Tötung "lebensunwerten Lebens". In Nürnberg muss sich Karl Brandt wegen seiner zentralen Verantwortung am Euthanasie-Programm verteidigen. Im Gerichtssaal werden als Beweismittel Bilder von der Befreiung der "Heil- und Pflegeanstalt" Hadamar gezeigt. In seiner Zelle schreibt der Hauptangeklagte Brandt: "Euthanasie ist kein Massenmord, sondern Erlösungstod, nichts weiter als fortgeführte Humanität". Brandt notiert in seinem Tagebuch, wie er zu einem besonderen Auftrag kam. Mit einem Schreiben von Hitler wird er beauftragt, "die Befugnisse von Ärzten zu erweitern, unheilbar Kranken den Gnadentod zu gewähren." In Brandenburg an der Havel sucht er Anfang 1940 mit anderen Experten eine "humane Art" zu töten. Es wurden sogenannte "Probetötungen" mit Injektionen und schließlich mit Gas durchgeführt: ein Vergasungsversuch an zehn Personen in einer als Dusche getarnten Vergasungskammer, ganz so wie später in Auschwitz. Der Test gelang.

In Berlin wurde mit dem planmäßigen und massenhaften Mord begonnen. In der Berliner Tiergartenstraße 4 wurde der Tod von wehrlosen Menschen geplant und veranlasst. "T 4 Aktion" nannte man die Ermordung der Bewohner von Heil- und Pflegeanstalten. Sie wurden in Bussen der Reichspost zu Vergasungsstätten wie Grafeneck, Hadamar oder Bernburg an der Saale gebracht. Die Akten der "T4 Aktion" werden derzeit in einem Forschungsprojekt aufgearbeitet. Die Bürokratie des Todes wird durchleuchtet und den Opfern Namen gegeben. Karl Brandt beruft sich in seiner Verteidigung auf seinen wichtigsten Entlastungszeugen: Pastor Friedrich von Bodelschwingh, der Brandt einen "Idealisten" nannte. Im Februar 1941 fuhr Brandt zum Leiter der Bodelschwinghschen Anstalten. Dem bekannten Euthanasiegegner gelang es, den größten Teil seiner Patienten zu retten. Allerdings gab es Ausnahmen: die aller schwersten Fälle, die Bodelschwingh "das Treibgut der Schöpfung" nannte, und jüdische Patienten. Vor dem Gericht spricht Brandt von diesem Treffen, zeigt sich beeindruckt von Persönlichkeit es Pastors. Widerstand gegen die Euthanasie gab es nicht nur in Bethel, sondern auch in Münster. Bischof von Galen hielt eine mutige Predigt gegen die Euthanasiemorde und erinnerte an das Gebot "Du sollst nicht töten." Hitler reagierte, denn er brauchte Ruhe an der Heimatfront. Seinem Begleitarzt befahl er im August 1941, die Euthanasie zu stoppen.

Nicht mehr in Berlin zentral organisiert, sondern "wild", in der Verantwortung der Anstaltsärzte, wurde nun weiter gemordet. So auch in Hadamar bis zum Eintreffen der amerikanischen Truppen. Brandt, der auch als Chirurg an der Ostfront arbeitete und dort Menschenleben rettete, machte unterdessen weiter Karriere. Mit Führererlass wurde er zusätzlich verantwortlich für die "Koordination der medizinischen Wissenschaft und Forschung". Brandt wird deshalb in Nürnberg mitverantwortlich gemacht für Menschenversuche. Sulfonamidversuche in Ravensbrück, die tödliche Zwillingsforschung Mengeles in Auschwitz, Unterdruckversuche der Luftwaffe in Dachau. Am 20. August 1947 wird das Urteil gegen Karl Brandt verkündet. Das Miltary Tribunals No.1 verurteilt Karl Brandt wegen Verbrechens gegen die Menschlichkeit zum Tod durch Hängen. Vor allem wegen seiner Verantwortung für die Euthanasie, die Frage seiner Mitwirkung an Menschenversuchen bleibt dabei unberücksichtigt. Am 2. Juni 1948 wird das Urteil vollstreckt. (Pressetext ZDF)

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